Zwei Earls, zwei Versionen von Dunkelheit und ein verbotenes Verlangen – ReGAYcy

„Das verbotene Verlangen des Earls (Der Gentleman seines Herzens Teil 1)“ von Ester D. Jones

Sebastian, Earl of Broomfield, lebt seit Jahren in Angst und Schrecken unter den strengen Augen seines Stiefvaters. Der verlangt nun, dass Sebastian sich auf die Suche nach einer vermögenden Ehefrau macht. Doch als Sebastian und Lady Rose sich näherkommen, erweckt das die Missbilligung ihres Bruders.
Lucian, Earl of Westminster, ist überzeugt, dass Sebastian kein geeigneter Ehemann für seine Schwester darstellt. Als Sebastian anbietet, Lucian von seinen ernsten Absichten zu überzeugen, willigt er nur widerwillig ein.
Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, umso stärker fühlt sich Lucian zu der Ernsthaftigkeit und dem künstlerischen Feingefühl des jungen Sebastian hingezogen. Doch was passiert, wenn aus der Zuneigung der beiden Earls Verlangen wächst, das sie in Gefahr bringen kann?

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Leseprobe

1. Kapitel
England / Frühjahr 1790

Sebastian Treesome, Earl of Broomfield, sah hoch zu dem großen, hölzernen Kreuz über dem Schreibtisch seines Stiefvaters. Es handelte sich um ein beeindruckendes Kunstwerk. Als es geliefert worden war, hatte Sebastian seinen Stiefvater, Lord Haderton, gefragt, von wem es geschaffen worden war. Statt einer Antwort hatte er nur einen ungläubigen Blick erhalten, denn für seinen Stiefvater war der Künstler hinter dem Werk von keinerlei Bedeutung. Für ihn handelte es sich schlicht um ein Symbol seines festen Glaubens. Dabei fand Sebastian die Jesusfigur wunderschön, fast lebendig gearbeitet. Er glaubte schon lange nicht mehr an Gott. Doch Kunst … darauf setzte er sein Vertrauen.

»Hörst du mir überhaupt zu?«, zischte sein Stiefvater Lord Haderton.

Widerwillig wandte Sebastian den Blick von dem Kreuz ab und konzentrierte sich auf das wütende Gesicht des Lords. »Natürlich.«

»Ich erwarte doch nicht viel.« Lord Haderton gab ein Schnauben von sich und ging vom Fenster zurück zu seinem Schreibtisch. Trotz seines schütteren, grauen Haars und dem ausladenden Bauchumfang sollte man ihn nicht für behäbig halten. Wie kräftig Lord Haderton tatsächlich war, wusste Sebastian aus eigener Erfahrung. »Das Leben eines Earls besteht zum Großteil aus unterhaltsamen Vergnügungen und ausuferndem Nichtstun. Die wenigen Verpflichtungen, die mit dem Titel einhergehen, sind ein geringer Preis für all die Macht und das Ansehen. Stimmst du mit mir darin überein?«

Sebastian nickte. Wie sollte er es leugnen? Seine Familie besaß Einfluss. Er selbst hatte davon oft profitiert. Sein Herz sehnte sich dennoch nach anderen Dingen. Bestimmt würde sein Stiefvater ihn mit seinen nächsten Worten darauf hinweisen. Er zeigte Sebastian gerne seine Fehler auf. Bestimmt hatte das Monster ihn nur deshalb in sein Arbeitszimmer bestellt. Um seine Charakterschwächen aufzulisten und anzuprangern.

Ein Teil von ihm fühlte sich leer. Immer. Überall. Die Traurigkeit darüber, seine Wünsche nicht einmal träumen zu dürfen, hatte sich in seinem Herzen eingenistet. Und an Abenden wie diesen, an denen sein Stiefvater sich anschickte, in seinen Unzulänglichkeiten zu schwelgen, nahm die Dunkelheit Sebastians ganze Seele in Besitz.

Lord Haderton leerte sein Glas und schenkte sich Whisky nach. »Dann nimm die Pflichten an, als das, was sie sind: ärgerlich aber nicht verzichtbar.«

Die Haare auf Sebastians Armen stellten sich auf. Er wusste, was kommen würde, wenn sein Stiefvater dem Alkohol weiter so enthusiastisch zusprach. »Das werde ich tun, Mylord, wenn es notwendig wird. Vorher könnte ich doch …«

»Nein!«, donnerte der Ältere. »Du wirst nicht irgendwelchen sinnlosen Zeitverschwendungen nachhängen. Alleine, dass du so etwas Absurdes immer wieder vorschlägst, erfüllt mich mit Zorn. Statt deine Nase in die Geschäftsbücher zu stecken, wie es sich gehören würde, versteckst du dich stundenlang in der Bibliothek. Du tust nichts, um das Familienvermögen zu erhalten oder gar zu vermehren. Ich bin furchtbar enttäuscht von dir. Immer die gleichen Ausreden. Immer derselbe Widerspruch.«

Sebastian senkte den Blick. Zu der Dunkelheit gesellte sich nun Kälte, die bis in den letzten Winkel seiner Seele kroch. Er wollte sich nicht für sein Faible für die schönen Dinge des Lebens schämen. Es handelte sich nicht um Schwäche, wenn man von Gedichten und Romanen, von Malerei und bildenden Künsten fasziniert war. Dafür interessierten sich schließlich auch andere Gentlemen. Warum konnte Lord Haderton nicht sehen, dass keine Gefahr von diesem Interesse ausging? Sebastian verbrachte vielleicht mehr Zeit als andere mit Literatur. All sein Allgemeinwissen würde jedoch irgendwann für ihn von Vorteil sein. Er biss die Zähne zusammen, um durch eine Meinungsäußerung nicht weiteren Ärger auf sich zu ziehen.

»Wann hast du dich das letzte Mal nach den Geschäften erkundigt? Seit Wochen haben wir uns nicht mehr über die Entscheidungen unterhalten, die ich täglich für dich treffen muss. Du lässt dich treiben, bist unhöflich zu deiner Mutter, stößt sie vor den Kopf mit deiner Ignoranz. Sie macht sich Sorgen um deine Zukunft. Und ich kann es ihr nicht verübeln. Künstler sind nicht mehr als Habenichtse und Tunichtgute. Das ist nicht das Leben, das wir für dich wollen.« Sein Stiefvater kam um den Schreibtisch herum und stellte sich vor Sebastians Stuhl. »Du weißt, dass ich es nur gut mit dir meine, oder?«

Langsam nickte Sebastian, während die Panik ihn nahezu lähmte. Ihm war bewusst, dass seine Mutter ihn verstand. Zumindest hatte sie das, bevor ihre geistige Verwirrung immer offensichtlicher geworden war. Dennoch benutzte Haderton sie für seine Beweisführung.

»Ich habe nur dein Wohlergehen im Sinn, wenn ich dich zu einem stärkeren, besseren Mann erziehe. In letzter Zeit machst du mir deutlich, darin versagt zu haben. Doch noch ist es nicht zu spät. Ich sehe deine Veranlagung, dich deiner Verantwortung zu entziehen. Du vernachlässigst deine Pflichten für brotlose Künste. Du musst deine Fehler bereuen. Du musst Abbitte für deine Abgelenktheit leisten. Dann besteht Hoffnung für deinen verdorbenen Charakter.«

Sebastian krallte die Hände in die Lehne seines Stuhls. Er wollte davonlaufen und an einen Ort flüchten, an dem dieser Wahnsinnige keine Macht über sein Leben besaß. Doch er konnte nicht verhindern, was gleich passieren würde.

»Heute Abend wirst du in deinem Zimmer um Erleuchtung beten. Gott wird dir den richtigen Weg weisen. Er wird dir zeigen, wie aus dir noch ein geschäftstüchtiger Gentleman werden kann. Und damit das eitrige Geschwür in deiner Seele dich nicht daran hindert, Weisheit zu erlangen, werde ich dir die rotäugigen Monster, die dich offensichtlich quälen, austreiben.«

Lord Haderton sprach nicht von der Art von Austreibung, wie die Priester sie bei armen, gepeinigten Seelen vornahmen. Er meinte damit nur, er hatte einen Grund gefunden, Sebastian wieder einmal zu verprügeln. Das Monster, gegen das Sebastian kämpfte, mochte rotäugig sein. Es besaß allerdings das Gesicht seines Stiefvaters.

»Bist du bereit, deine Strafe anzunehmen?«

Eine inhaltsleere Frage. Nichts würde den griesgrämigen, grausamen Mann davon abbringen, sein Vorhaben umzusetzen. Neuerlicher Widerspruch würde lediglich das Ausmaß der zu erwartenden Schmerzen erhöhen.

Übelkeit wütete in Sebastians Magen, doch er nickte.

»Dann mach dich bereit.« Mit zufriedenem Gesichtsausdruck ging sein Stiefvater zu der Kommode und öffnete eine Lade. Das leise Quietschen, das das Holz dabei von sich gab, verfolgte Sebastian manchmal bis in seine Träume.

Er stand auf und legte seine Oberbekleidung ab. Das Monster mochte es nicht, wenn Sebastian seine Hemden mit Blut verdarb. Dann beugte er sich vor und hielt sich an der Lehne seines Stuhls fest.

Hinter ihm näherte sich der Dämon. Sebastian hörte an der schnellen Atmung, dass sein Stiefvater heute besonders viel Vergnügen an dieser Folterung finden würde. Wellen von Bösartigkeit und vorfreudiger Hitze verbrannten beinahe Sebastians Rücken. Doch der würde ohnehin bald in Flammen aufgehen.

»Ich mache das nicht gerne«, behauptete das Monster. »Aber ich habe keine andere Wahl. Du musst verstehen, dass du etwas falsch gemacht hast. Du musst dafür büßen, damit ich dich retten kann.«

Er konnte spüren, wie das Leder der fünfschwänzigen Peitsche über seine Haut strich. Vorsichtig, fast zärtlich, als handle es sich um eine Liebkosung.

»Erdulde deine Strafe wie ein wahrer Mann«, forderte das Monster.

Die Peitsche sauste durch die Luft, traf schmerzhaft auf Sebastians Rücken. Er duckte sich nicht darunter weg. Er gab keinen Laut von sich, obwohl seine Seele vor Pein brüllte. Doch das hier war noch gar nichts. Sein Rücken wies unzählige verblassende Narben auf, die ihn Tag für Tag daran erinnerten, wozu das Monster fähig war. Besser, das Monster tobte sich an ihm aus, statt Sebastians Mutter heimzusuchen.

»Ich werde dich abhärten. Du wirst lernen, die Position des Earls mit Würde und Stärke zu füllen.«

Wieder trafen die Lederriemen auf seine Haut. Das Monster schlug fest genug zu, um ihn ernsthaft zu verletzen, um ihm echte Wunden zuzufügen. Doch es war der Schmerz und die Demütigung, die ihm den Atem raubten.

Noch ein Schlag, und Sebastian spürte die dünnen Risse, die die Peitsche verursachte. Er würde bluten, bis das Monster zufrieden war. Er musste es ertragen. Denn wenn er sich wehrte, würde das Monster ihn nur noch mehr verwunden. Mit einem Pfeifen sauste die Peitsche auf ihn nieder. Das Leder traf ihn so hart, dass ihm schwindelig wurde. Das Monster schien sich heute nicht unter Kontrolle zu haben. Erst ein Mal war Sebastian bei einer dieser Lehrstunden ohnmächtig geworden. Das Monster hatte ihn mit einem Kübel kalten Wassers wecken lassen, bevor es sein Werk fortgesetzt hatte.

Warme Flüssigkeit lief beim nächsten Hieb über seinen Rücken. Er biss die Zähne zusammen, bis es knirschte. Sein Geist flüchtete sich an einen Ort, an der das Geräusch der Peitsche, das Keuchen seines Peinigers, der Geruch nach Alkohol und Blut, das Leid und die Erniedrigung keinen Zugang hatten.

Das Monster murmelte unverständliche Worte, hatte sich in seinen eigenen Wahn von Machtbesessenheit und religiösem Eifer zurückgezogen.

Sebastian schloss die Augen und stellte sich ein Leben vor, in dem er sich nicht vor Strafen fürchten musste, weil er malen und dichten und sich Visionen der Zukunft ausdenken wollte. In seinem sicheren Raum direkt hinter seinem Herzen empfing ihn Wärme und Liebe und Respekt. Sollte das Monster seinen Körper kennzeichnen. Seine Seele würde es nicht bekommen.

Er wusste nicht, wie lange das beinahe erregte Keuchen noch hinter ihm erklang. Er konnte nicht genau sagen, wie oft das Monster auf ihn einschlug. Doch irgendwann drang die Stille im Arbeitszimmer seines Stiefvaters bis in seinen sicheren Zufluchtsort. Zögernd wagte er die Augen zu öffnen.

Das Monster hatte die Peitsche achtlos zu Boden geworfen und war zum Schreibtisch zurückgekehrt, um noch einmal dem Alkohol zuzusprechen. Dass es ihm den Rücken zuwandte, bedeutete wohl, dass die heutige Lehrstunde beendet war. Das Interesse des Monsters gehörte bestimmt den Rest des Abends ausschließlich der Flasche Whisky.

»Danke, Mylord«, murmelte Sebastian. Die Worte hatten ihn zu Beginn große Überwindung gekostet. Inzwischen erfüllten sie ihn mit Erleichterung, weil er die Folter bis zur nächsten Niederlage seines Stiefvaters am Spieltisch überstanden hatte.

Als er sich aufrichtete und seine Kleidung an sich nahm, jagte Schmerz bei jeder Bewegung durch seinen Oberkörper. Er musste es nur noch in sein Zimmer schaffen. Dort würde sein Diener sich um ihn kümmern, und Sebastian könnte sich unter dem Einfluss eines schmerzlindernden Mittels erholen.

»Einen Augenblick, Junge.«

Die Stimme seines Stiefvaters ließ ihn innehalten. Überrascht über diese Änderung des üblichen Ablaufs wandte er sich um. Die Angst bildete neuerlich einen schweren Knoten in seinem Magen. Was konnte das Monster denn noch verlangen?

»Es ist an der Zeit, dass du den ersten Schritt in die richtige Richtung gehst. Ich will innerhalb dieses Jahres eine Hochzeitsfeier in unserem Haus ausrichten. Such dir eine Frau aus wohlhabendem Haus, deren Mitgift gut zu unserem Ruf passt. Ein williges, für deine Makel blindes Weib, das dich erträgt. Da du irgendwann die Verantwortung für all das hier tragen wirst, sollte es an möglichen Kandidatinnen nicht mangeln.«

Die Forderung, er solle sich vermählen, hörte er nicht das erste Mal. Doch der Gedanke, ein unschuldiges, ahnungsloses Wesen in dieses Haus zu holen, war Sebastian unerträglich. Er sah zu dem Monster. »Ich bin erst zweiundzwanzig. Wenn ich vielleicht …«

»Noch dieses Jahr, Sebastian. Du wirst noch dieses Jahr heiraten. Hast du mich verstanden?« Die Stimme des Monsters klang drohend.

Sebastian schluckte und nickte. »Ja, Mylord.«

»Gut. Und jetzt geh. Ich möchte noch alleine für die Rettung deiner Seele beten.«

Er drückte seine Kleidung enger an sich und ging langsam Richtung Tür. Sein Rücken brannte wie Feuer. Bei jedem Schritt jagte der Schmerz durch seinen Körper, ließ seine Sicht verschwimmen. Er kannte die Vorzeichen. Er musste sich gegen die drohende Ohnmacht wehren. Solange er sich in diesem Zimmer befand, durfte er sich keine Schwäche anmerken lassen.

Mit zusammengebissenen Zähnen öffnete er die Tür auf den Gang und schob sich hindurch. Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stützte er sich mit einer Hand an der Wand ab. Die Wellen voller Schmerzen brandeten über ihn hinweg. Dunkelheit schob sich langsam vor seine Augen. So würde er es nicht mehr in sein Zimmer schaffen.

»Legt den Arm um meine Schulter, Mylord«, bat eine Stimme. Aus dem Nichts schien sein Diener Jeremy neben ihm aufzutauchen.

Als Sebastian folgsam den Arm hob, stöhnte er auf.

»Ich weiß, Ihr habt Schmerzen, Mylord. Aber wir müssen Euch rasch von hier weg schaffen. Ich kann Euch nur helfen, wenn Ihr Euch auf mich stützt.«

Jeremy hatte Recht. Wenn Lord Haderton hörte, dass Sebastian seine Strafe nicht tapfer ertrug, würde er keine Gnade walten lassen. Ein letztes Mal zusammenreißen, bis sie sein Zimmer erreicht hatten. Mit Hilfe des Laudanums würde er bald in einen verdienten, tiefen Schlaf fallen.

Ihm war fürchterlich kalt. Seine Zähne klapperten aufeinander, doch eine Decke über seinen Schultern würde er im Augenblick nicht verkraften. Wann immer Jeremys Arm zu hoch rutschte, den sein Diener ihm um die Hüften geschlungen hatte, um ihm Halt zu geben, stöhnte Sebastian leise. Irgendwie gelang es ihnen dennoch, ihn auf sein Zimmer zu schleppen.

Er stolperte zum Bett, ließ sich bäuchlings darauf fallen. Es spielte für ihn keine Rolle, dass die Bettdecke noch nicht zurückgeschlagen war. Er wollte nur in die Dunkelheit gleiten und diesen Albtraum hinter sich lassen.

Zuerst mussten allerdings seine Wunden versorgt werden. Jeremy flößte ihm etwas Laudanum ein. Dann verteilte er vorsichtig Salbe auf Sebastians Rücken. Vorübergehend verstärkte sie Sebastians Leiden, doch dann würden ihre Heilkräfte die Haut betäuben.

»Ihr solltet diese Folter nicht über Euch ergehen lassen. Wenn Ihr von hier weggehen wollt, würde ich Euch überallhin folgen«, schwor Jeremy.

Sebastian zuckte unter einer zu festen Berührung der kühlen Finger zusammen. Sein Diener hatte sich der Familie gegenüber immer loyal verhalten. Vor dem Tod von Sebastians Vater hatte er ihm gedient, hatte Sebastian aufwachsen gesehen. Aus seiner Verachtung für Lord Haderton machte der fünfzig Jahre alte Mann keinen Hehl. Bestimmt würde er Sebastian bei einer Flucht beistehen. Aber so einfach gestaltete sich solch ein Vorhaben nicht. »Ich danke dir für dieses Angebot. Leider muss ich es ausschlagen. Ich habe keine Wahl, Jeremy. Wenn ich nicht mehr für die Auswüchse seiner religiösen Wahnvorstellungen zur Verfügung stünde, würde er sich an meiner Mutter vergreifen. Er hat sie bereits einmal geschlagen und nur mein Versprechen, mich ihm nicht zu widersetzen, hält ihn im Augenblick davon ab.«

»Eure Mutter würde es verstehen«, beharrte Jeremy.

»Würde sie das?« Er lachte trocken auf. »Sie erkennt mich an manchen Tagen nicht einmal. Ich will mir nicht vorstellen, was er ihr antun könnte, sobald ich mich nicht mehr schützend vor sie stelle.«

»Bestimmt wünscht sie sich ein anderes Leben für Euch.«

»Es ist ja nicht so, als hätte ich eine echte Wahl.«

Mehrere Minuten lang arbeitete Jeremy wortlos weiter. Sebastian entspannte sich etwas, als die Salbe zu wirken begann. Er hasste sein Leben, verachtete die Schwäche, die zu spielen er gezwungen war. Alles in ihm rebellierte gegen die Behandlung seines Stiefvaters. Doch Sebastian war in diesem Albtraum gefangen.

Seine Finger krallten sich in die kühlen, seidigen Laken unter ihm. Wie gerne hätte er auf dieses luxuriöse Anwesen, die prachtvollen, goldverzierten Möbel und die teuren Stoffe in diesem Haus und auch auf seiner geschundenen Haut verzichtet, wenn er nur irgendwo in Armut aber Sicherheit an Seele und Körper heilen dürfte. Doch seine Mutter brauchte seinen Schutz.

»Wollt Ihr das alles tatsächlich nicht hinter Euch lassen?«, erkundigte Jeremy sich leise.

»Das, was ich will, ist nicht immer das, was möglich ist.« Die Müdigkeit zog ihn langsam aber sicher in das Schattenreich. Er kämpfte dagegen an.

»Ich habe gehört, wonach er verlangt hat. Wenn Ihr heiratet …«

Sebastian öffnete die Augen. »… übergebe ich ihm noch eine schutzlose Seele, die er misshandeln kann. Das muss ich verhindern.«

»Er wird Euch für den Widerstand noch schlimmer bestrafen, als er es jemals getan hat. Er könnte Euch töten.«

»Ich weiß«, flüsterte Sebastian. »Es scheint unmöglich, mich aus seinen Krallen zu befreien.« Irgendetwas würde er sich einfallen lassen. Die Verzweiflung pflanzte bereits verrückte Ideen in sein Gehirn. Es musste einen Ausweg geben. Sonst würde er dafür sorgen, dass Lord Haderton niemandem mehr Schaden zufügen konnte. Er würde seinen Stiefvater aus dem Weg räumen. Selbst wenn er dafür in den Kerker ginge.

[…]

„Das verbotene Verlangen des Earls“
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