Grübeleien eines Autors zum Thema falsche Selbstwahrnehmung
Man hat von sich selbst ein Bild im Kopf, das nie ganz mit der Realität übereinstimmt. Das Portrait von mir, das ihr am Anfang von diesem Beitrag seht, hat K2 (7) gemacht. So ernst würde ich mich nicht zeichnen. Lieber habe ich eine lachende, entspannte Version von mir im Kopf. Doch in der Momentaufnahme war das die Sicht meiner Tochter auf mich. Ich sollte stillsitzen, um ihr die Aufgabe zu erleichtern. Vielleicht ist der verkniffene Ausdruck in meinem Gesicht meinem Versuch geschuldet, mich nicht zu bewegen.
Auch in anderen Bereichen bemerkt man, dass man nach außen hin nicht so wirkt wie man glaubt. Habt ihr schon mal eure Stimme auf einer Aufnahme gehört und euch gefragt, wer da eigentlich redet? Wir sind gar nicht in der Lage, uns selbst so wahrzunehmen, wie es unser Gegenüber tut. Dieses Phänomen lässt sich ganz leicht erklären. Doch auch bei anderen Beispielen müssen wir uns eingestehen, dass unsere Selbstwahrnehmung nicht dem enspricht, was andere von uns sehen.
Was das mit Romanen zu tun hat
Wir wissen nicht, was Menschen in unserem Umfeld erlebt haben und wie das ihre Sicht auf die Welt verändert hat. Wenn wir uns mit jemandem unterhalten, können wir durch gezielte Fragen mehr über ihn erfahren und so herausfinden, welche Filter er anwendet. Doch wenn wir ein Buch lesen, ist das nicht möglich. Wir erfahren nur das, was der Autor uns zeigt.
In einer meiner Geschichten hat die Heldin alles sehr negativ gesehen und dadurch auch die Handlung von ihrem Umfeld entsprechend bewertet. Ich habe sie bewusst übertreiben lassen, aber Leser haben zum Teil bemängelt, dass die anderen sich ihr gegenüber unrealistisch gemein benehmen würden. Dabei war das der Sicht meiner Heldin geschuldet. Es ist schwierig zu zeigen, dass sie Kommentare und Blicke falsch interpretiert hat. Dabei hat für mich genau das den Reiz ausgemacht.
Jeder lebt in seiner ganz persönlichen Welt. Das finde ich bei Protagonisten so spannend. Sie erzählen ihre Geschichte, indem sie automatisch einen Filter über die Vergangenheit legen. Wenn sie jemandem von einer bestimmten Situation berichten, kann man sich eigentlich nicht darauf verlassen, dass alles genau so passiert ist. Betrachten zwei Personen aus zwei unterschiedlichen Positionen eine Zahl, sieht der eine eine 6 und der andere eine 9. Doch wer hat Unrecht? Wer sollte das entscheiden? Man muss sich in sein Gegenüber hineinversetzen, und selbst dann hat man vielleicht Schwierigkeiten, die gleiche Zahl zu sehen wie der andere. Also wie soll man einem Protagonisten vertrauen, dass seine Sicht nicht durch persönliche Erfahrungen getrübt ist, wenn er uns seine Geschichte erzählt?
Wie seht ihr das?
Jetzt ist eure Meinung gefragt. Darf ich als Autor meinen Helden diesen Filter erlauben? Dürfen sie ihre Realität einfärben? Oder muss ich die Wahrheit abbilden? Was meint ihr?
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Mir ist das auch schon passiert mit der Fremdwirkung. Ich selber sehe mich als freundlichen und fröhlichen Typ. Ich wurde aber angesprochen, dass ich immer ernst gucke. Ist denke auch situationsabhängig. Im Kindergarten mit 14 4-5jährigen ist halt nich immer Sonnenschein. Oder ich bin gerade in Gedanken, dann schaue ich vielleicht nicht fröhlich. Vielleicht hat mich die Person gerade in solchen Situationen erlebt.
Wie du das im Buch meinst, ist mir nicht ganz klar. Aber
Wenn alles logisch und nachvollziehbar geschrieben ist, ist es doch ok.
LG Nadine
Ich hatte mal eine Geschichte, in der die Heldin alles sehr negativ gesehen hat und dadurch auch die Handlung von ihrem Umfeld entsprechend bewertet hat. Ich habe sie übertreiben lassen, aber die Leser haben zum Teil bemängelt, dass die anderen unrealistisch wären. Dabei war das der Sicht meiner Heldin geschuldet. Darum bin ich jetzt etwas vorsichtiger geworden. Ich füge das oben gleich noch zur Zusatzinfo ein.