Das liebe Geld
Kürzlich habe ich mich mit einer Bekannten über ihren neuen Job unterhalten. Sie arbeitet freiberuflich mit einer Firma zusammen, hat nicht regelmäßigen Kontakt mit ihren Chefs, und es ist ihr erlaubt, sich vieles selbst einzuteilen. Ich habe sie gefragt, ob sie mit diesem Arrangement zufrieden sei. Sie hat geantwortet, die Arbeit selbst mache ihr Spaß. Eine positive Beurteilung ihrer abgeschlossenen Projekte in Form von Lob gäbe es. Trotzdem fühle sie sich nicht wertgeschätzt, wenn sie auf ihren Kontoauszug sehen würde. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich durch mein Gehalt ausreichend Bestätigung erfahre.“
Dann hat sie sich erkundigt, wie es mit meiner schriftstellerischen Karriere laufen würde. Es handelt sich um ein Thema, das man eigentlich nicht mit einem Satz abhandeln kann. Doch dieses Mal ist es mir gelungen. Mein Resümee: „Ich fühle meine Arbeit nicht wertgeschätzt.“
Das hat mich zum Nachdenken über etwas gebracht, das mich schon lange beschäftigt.
Kann man / darf man / will man kreative Tätigkeiten finanziell bewerten?
Anders gefragt: Warum schreibst du überhaupt, wenn du Geld verdienen möchtest? Gäbe es nicht andere Möglichkeiten, dein Konto zu füllen?
Diese Frage muss man sich als Autor schon gefallen lassen. Ich hätte ja etwas „Vernünftiges“ lernen können, könnte mich in ein Büro setzen, dort meine (aufgrund meiner Lebensumstände eher wenigen) Stunden absitzen und zufrieden sein. Doch stattdessen investiere ich jede freie Minute in etwas nicht wirklich Greifbares, in Ideen und Fantasien. Ich persönlich liebe es zu schreiben, empfinde körperliche und seelische Unausgeglichenheit, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, aus dem Nichts mit Worten Geschichten entstehen zu lassen. Mein Kopf drängt mich dazu, immer neue Manuskripte zu produzieren. Gezwungen bin ich allerdings nicht dazu.
Wenn es deine Passion ist, dein Feuer, warum machst du dir dann überhaupt Gedanken über Geld?
Habe ich kein Recht, für meine Arbeit bezahlt zu werden? Darf ich nicht hoffen, genug zu verdienen, um damit die Kosten meines Alltags bestreiten zu können?
Natürlich ist mir bewusst, dass ich mir einen Beruf ausgesucht habe, der nicht kalkulierbar ist. Kein Autor kann mit Sicherheit sagen, dass das Buch, an dem er gerade arbeitet, ein Bestseller wird. Ich verdiene mehr, wenn ich Leser davon überzeugen kann, dass meine kreative Arbeit von Wert ist. Leider bin ich nicht in der Lage zu sagen, mehr Mühe, die ich in ein Manuskript stecke, generiert automatisch höhere Einnahmen. Als Autor habe ich nur beschränkte Möglichkeiten sicherzustellen, gesehen zu werden. Was Kunst ist, entscheidet der Betrachter/der Leser. Er kann es allerdings nur tun, wenn er es überhaupt zu Gesicht bekommt.
Ich möchte keine fixen Preise für Bücher bestimmten Umfangs einführen. Bücher sollen nicht einheitlich bewertet werden. Mir ist auch klar, dass Lesen nicht teuer werden darf, weil es Bildung, Wissen, Perspektiven und Ideen schenkt. Trotzdem soll dieser Beitrag zum Nachdenken anregen. Ist es wirklich notwendig, Bücher vorübergehend zu Schleuderpreisen anzubieten, damit man Erfolg hat? Darf ich meine Finanzen beim Veröffentlichen im Hinterkopf haben? In der Buchbranche gibt es so viele Berufszweige, die ihre Arbeit mit Stundenlohn bezahlt bekommen. Warum nicht einmal einen Blick auf diejenigen Werfen, die das produzieren, mit dem der Rest handelt?
Was könnte mein Buch kosten? Eine kleine Rechnung
Stellen wir doch gemeinsam eine kleine Rechnung auf. Natürlich kann sie nicht alle Spezialfälle berücksichtigen. Vielleicht hilft sie aber für eine allgemeine Einschätzung.
In Deutschland beträgt der Mindeslohn seit Jänner 2019 EUR 9,19. In Österreich existiert sowas gar nicht. Runden wir das in meinem Rechenbeispiel der Einfachheit halber auf EUR 9 ab. Ich schreibe ungefähr zwei Monate an einem durchschnittlich langen Manuskript. In diesem Zeitraum ist die Entwicklung der Idee, bevor sie überhaupt zu Papier gebracht werden kann, die Überarbeitung, die Verlagssuche/Formatierungsarbeit bei Selfpublishing-Titeln, Social Media-Aufwand, Werbung, Nachbearbeitung nicht berücksichtigt.
Ich komme in der Woche ungefähr auf gut dreißig Arbeitsstunden. Das schwankt und hängt von äußeren Faktoren ab. Dabei erwähnt werden muss, dass ich bestimmt keine fünf Wochen Urlaub mache und auch am Wochenende vor dem Laptop sitze. Das alles wird ja bei einem „normalen“ Job mitbezahlt. Jedenfalls rechen wir die dreißig Stunden mal acht Wochen.
Das sind bei 240 Stunden Arbeit an einem Buch (auf die eigentliche Schreibzeit runterdividiert) mal EUR 9 ein Mindestlohn von EUR 2.160.
Nehmen wir jetzt mal an, ich veröffentliche das Buch selbst, lade es in dem Shop hoch, der am besten bezahlt (ich glaube, den muss ich nicht nennen), und verdiene 70 Prozent pro verkauftem Buch. Bei einem Preis von EUR 3,99 (ich will nicht gierig sein, die Geschichte auch nicht herschenken) macht das Tantiemen von EUR 2,30 für mich. Dann muss ich das Buch 940 mal verkaufen, um auf den Mindestlohn zu kommen.
Nicht viel, meint ihr? Aber die Rechnung stimmt eigentlich nicht. Genau genommen habe ich ja deutlich mehr als die 240 Stunden Arbeit investiert. Und was ist mit dem Rest, den Ausgaben, die ich noch nicht berücksichtigt habe?
Das Buch braucht ein Cover, das ich leider nicht selbst machen kann. Lektorat/Korrektorat sind nicht günstig. Wie viel Geld Autor dafür in die Hand nimmt, variiert sehr stark (auch bei mir, denn ich muss ja die zu erwartenden Einnahmen gegenüberstellen). Ein Cover kann auch mal bis zu EUR 500 kosten. Für ein Volllektorat muss man mit bis zu EUR 1000 rechnen. Allein dadurch müsste ich plötzlich schon 1.592 Stück verkaufen. Damit ist es allerdings noch nicht getan.
Eine Buchveröffentlichung will auch gefeiert werden, damit Leser darauf aufmerksam werden. Also werden ebooks und prints (die für den Autor natürlich nicht gratis sind) verschenkt. Es werden Goodies angeschafft, und dann ist da noch das Problem mit dem nicht gerade geringen Porto, wenn ich die Sachen von Österreich aus verschicke. Wenn ich es ganz genau nehme, müsste ich anteilig die Kosten für Messebesuche einrechnen. Man kann hin und wieder ein Gewinnspiel unterstützen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Es ist wichtig, Programme anzuschaffen, wenn die Gratisangebote nicht ausreichen. Vielleicht kauft Autor sogar einen speziellen Drucker, damit man das eine oder andere Werbematerial auch selbst herstellen kann. Meine Laptops haben keine allzulange Lebenszeit (was zum Teil auch an mir liegt) …
Es gibt noch diverse Kleinigkeiten, die hier angeführt werden könnten. Aber es macht deutlich, dass die Rechnung nicht aufgeht. Und darüber, wie die Zahlen sich verändern, wenn ich das Buch nicht selbst herausbringe, möchte ich hier gar nicht erst zu lange Nachdenken. Gehen wir davon aus, dass das Honorar pro Buch einem Fünftel von einem SP-Titel entspricht. Dabei fällt zwar ein Teil der Ausgaben für Cover und Lektorat weg. Die restliche Arbeit ist dennoch zu erledigen, Zeit und Geld zu investieren. Damit müsste ich also fünfmal so viel verkaufen wie bei meinem ersten Beispiel. Das klappt besser bei einem Verlagstitel, glaubt ihr? Darüber lässt sich diskutieren.
Fazit
Was also tun? Den Preis der Bücher anheben und dadurch weniger verkaufen? Preisaktionen schalten, damit zumindest die anderen Bücher gesehen werden und darüber Verkäufe hereinkommen? Nur noch für sich selbst schreiben? Aufgeben?
Fakt ist: Das System kann ich nicht ändern, will es auch nicht. Aber ich möchte Bewusstsein schaffen. Wir Autoren haben auch einen Kampf zu kämpfen. Wir nörgeln nicht grundlos über Zahlen. Wir regen uns nicht einfach so über Diebe auf, die unsere Werke illegal zum Download anbieten und sich auf unsere Kosten vielleicht sogar bereichern.
Ich würde meine Arbeit gerne wertgeschätzt wissen. Dazu ist gar kein Mindestlohn notwendig. Niedrige Preise bei Büchern dürfen nur nicht als selbstverständlich angesehen werden.
Fragen
Wie siehst du diesen Beitrag? Was hast du zu diesem Thema zu erzählen? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Stimmst du mir zu, oder denkst du eher, ich solle mich nicht so anstellen? 😉
Ich bin neugierig auf eure Meinungen und sage schon mal danke für jeden Kommentar.
Alles Liebe
Eure Bettina