„Mörderisches Weinviertel“ von Bettina Kiraly

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Sieben Mal Mord im Weinviertel – Krimikurzgeschichten

„Mörderisches Weinviertel“ von Bettina Kiraly

Sieben mörderisch-gute Kurzgeschichten aus dem Weinviertel

Gibt es hilfsbereite Menschen, die zu gut sind, um wahr zu sein? Kann Josepha wirklich alle Rätsel lösen, die ihr begegnen? Wie soll man Wiedergutmachung für einen Fehler leisten, der unwiderrufliche, tragische Folgen hatte? Was geschieht, wenn die verdiente Ruhe gestört wird? Ist Walder in der Lage, den persönlichsten Fall seines Lebens aufzuklären? Gelingt es Emma rechtzeitig, hinter die Fassade eines Täters zu blicken? Und soll Franz seinen Feinden diesen guten Jahrgang vorenthalten?
In den sieben Kurzkriminalgeschichten, in der sich alles um das Weinviertel dreht, darf mitgeraten und mitgefiebert werden.

Verlag Berger

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Leseprobe

Ein Klick

 

Der Zeigefinger schwebte sekundenlang über der linken Maustaste. Verschiedene Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Würde sie das immer noch tun, wenn sie sich mehrere Tage Abstand gönnen würde? War es eine Handlung, die ihrem Alter angemessen war? War sie bereit, mit den Konsequenzen zu leben?

Marie hielt die Luft an und klickte auf Senden. Ein Klick und ihre Sorgen wurden in die Welt hinausgeschickt.

„Ich möchte dieses Forum nutzen, um auf eine himmelschreiende Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Die Xerberus Credit steht für leichten und schnellen Gelderhalt, niedrige Kreditzinsen, für Stabilität und Sicherheit, zumindest wenn man ihrer Werbung glauben darf. Ich und mein Sohn haben eine andere Seite von Xerberus Credit kennen gelernt. Nachdem mein Mann gestorben ist, musste ich plötzlich feststellen, dass die Kreditzinsen sich auf einen höheren Betrag belaufen als gedacht. Dass ich diesen alleine nicht aufbringen kann, um unser Haus nicht zu verlieren. Mein Mann hätte diesen Kredit niemals erhalten dürfen, weil unsere Sicherheiten nicht ausgereicht haben. Die Bank wollte zu diesem Zeitpunkt lediglich ihre Bilanz aufbessern und ist bereitwillig ein großes Risiko – auch für uns – eingegangen. Deshalb wohnt in unserem Haus, in dem Gebäude, das wir mit unseren eigenen Händen gebaut haben, jetzt eine andere Familie. Ich habe kein Geld, um rechtlich gegen die Bank vorzugehen. Ich muss an meinen Sohn denken und daran, dass ich ihm ein Dach über dem Kopf und warmes Essen bieten muss. Ich trage Verantwortung. Allen, die überlegen, sich bei Xerberus Credit Geld aufzunehmen, kann ich allerdings nur davon abraten. Diese Firma ist kriminell und handelt unverantwortlich. Eines Tages wird jemand sie stoppen müssen. Jemand, der mehr Macht und Geld besitzt als ich. Bis dahin werde ich vor dieser Firma warnen.“

Für diesen Beitrag hatte sie sich eigens mit einem anderen Namen in dem Forum angemeldet und zuvor ein Mailaccount auf einen fremden Nickname eingerichtet. Niemand würde erfahren, dass sich hinter EineGegenViele Marie Kronberg verbarg. Es war die Mühe wert gewesen. Sie fühlte sich frei.

 

„Kannst du bitte das Brot auf den Tisch stellen?“, bat Marie. Die Aufregung ließ ihre Stimme zittern.

„Jetzt beruhige dich, Mama“, lachte ihr Sohn. „Wenn du deine Nervosität nicht ablegst, gießt du ihm noch die Bratensoße über die Hose.“

Marie seufzte. „Das habe ich jetzt davon, dass ich so einen klugen Sohn großgezogen habe: Er gibt mir freche Antworten. Gleich ist es geschafft, dann geht es mir besser.“

Gemeinsam mit Michael deckte sie den Tisch fertig ein, bevor sich Marie wieder in die Küche begab, um der Bratensoße den letzten Schliff zu geben. Ihr Blick fiel durch das Fenster über der Spüle, und einen Moment ließ sie zu, dass die Erinnerung sie übermannte. Dort oben auf dem Hügel zwischen den hohen Kiefern und Eichen gleich neben den Weingärten stand das Bauernhaus, das einmal ihr Zuhause gewesen war. Jeder Ziegel gebaut mit ihren Händen und ihrer Liebe. Jede Unebenheit der Wände, jedes kleine verbaute Eck des Hauses wurde deshalb geliebt, weil es ihnen allein gehört hatte. Sie vermisste die Blumen, Kräuter und Obststauden aus dem Garten, der ihr Refugium gewesen war.

Die Weingärten zu Füßen des Bauernhauses gehörten seit Generationen Maries Familie. Die gekelterten Weine machten früher den Stolz ihres Vaters aus. Nun waren die Weingärten an verschiedene Landwirte verkauft. Es brach ihr das Herz.

Diese Gefühle hatten am heutigen Tag keinen Platz in ihrem Herzen. Sie sollten die Bedeutung des Abends nicht überschatten. Sie lächelte beim Gedanken an den Mann, den sie zum Essen eingeladen hatte. Heute würde sie ihn ihrem Sohn vorstellen. Wenn Michael ihn nett fand, würde sich vielleicht mehr entwickeln.

Trotz ihrer nie versiegenden Trauer war in den letzten zwei Monaten so viel Positives in ihrem Leben geschehen, das ihr Hoffnung gab. Sie hatte einen Job gefunden, der genug Geld einbrachte, um sich eine kleine Wohnung ganz in der Nähe der geliebten Weingärten leisten zu können, und bei dem sie ihre Zeit frei einteilen konnte. Xerberus Credit hatte völlig überraschend auf die letzten Forderungen verzichtet. Und seit drei Wochen hatte sie wieder Verabredungen. Sie war im Bereich ihrer Möglichkeiten glücklich. Das verdankte sie nur einer Person.

Erich hatte ihr von dem Job erzählt, der jetzt ihre Zukunft sicherte. Er hatte ihr gezeigt, dass das Leben immer noch schön war. Er hatte sie mehrmals zum Ausgehen und zu Unternehmungen eingeladen und dabei ihr Herz eroberte. Ob ihm das überhaupt bewusst war?

Die Frage, die sie seit ein paar Tagen beschäftigte, war die Überlegung, ob Erich lediglich Mitleid mit ihr und ihrem Schicksal hatte, oder ob er sie als Frau mochte. Empfand er das Gleiche wie sie?

[…]

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