Buchbesuch: Der Earl of Broomfield aus „Das verbotene Verlangen des Earls“ in der Gegenwart – Teil 2

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Buchbesuch: Der Earl of Broomfield aus „Das verbotene Verlangen des Earls“ in der Gegenwart – Teil 2

 

Obwohl Sebastian, der Earl of Broomfield, bereits öfter durch die Augen einer Fremden einen Blick in eine seltsame Parallelwelt werfen durfte, verspürte er dennoch Übelkeit, als sie in der Kiste eine Straße entlangraste. Manchmal überlegte er, ob es sich um einen Ort in einer fernen Zukunft handeln könnte, doch das erschien ihm unwahrscheinlich. Dafür unterschied sich diese Welt viel zu sehr von der seinen. In der Realität, die er besuchte, sobald die Frau ihre Brille aufsetzte, gab es ungewohnte Objekte, unangebrachte Kleidung, in den Ohren schmerzende Musik, für ihn viel zu klein wirkende Gebäude. Das konnte für Sebastian nur einen Ort auf einem fremden Planeten abbilden.

Ein Ruck ging durch ihn und er konzentrierte sich wieder auf den dünnen Reifen in den Händen der Frau. Leider saß sie schon zu lange in dieser lauten, viel zu schnellen Kiste und schaffte es zum Glück immer wieder, anderen, entgegenkommenden Kisten auszuweichen. Sein Herz raste, während er versuchte, den Blick von der vorbeiziehenden Landschaft abzulenken. Leider war er mit dieser schrecklichen Brille verbunden und musste mitansehen, wie die Fremde in halsbrecherischem Tempo auf ein Dorf zufuhr. Die Gebäude hatten so gar nichts mit dem London seiner Zeit zu tun. Die Straßen hier waren nicht gepflastert. Vermutlich benötigten die Kisten einen Untergrund mit möglichst wenig Unebenheiten.

Endlich wurde die Kiste langsamer, als sie an ein in der Luft hängendes Licht kam. Die Frau drehte das Rad und bog auf eine andere Straße ab. Sebastians Herz klopfte schneller, während er zusah, wie die Kiste auf eine große, freie Fläche fuhr. Weiße Linien formten ein Muster, das er nicht verstand. Kleine Inseln mit Sträuchern dazwischen verwirrten ihn noch mehr. Andere Kisten hatte man zwischen den Linien angehalten. Menschen mit metallisch glänzenden, riesigen Körben auf Rädern wurden hin- und hergeschoben. Was war das für ein Ort?

Eine Hand erschien vor seinen Augen. Die Frau setzte die Brille ab, weshalb seine Sicht langsam verschwamm. Obwohl er gerade noch Angst empfunden hatte, weil er diese fremde Welt und seine unerwartete Verbindung damit nicht durchschaute, fand er es schade, dass er nicht noch etwas länger beobachten konnte.
Alles wurde schwarz vor seinen Augen. Er blinzelte mehrmals, bevor er wieder den Schreibtisch seines Arbeitszimmers vor sich erkannte. Mit einem leisen Seufzen kehrte er ins Hier und Jetzt zurück. Missmutig blickte er auf den Brief, den er eigentlich endlich fertigstellen sollte, doch seine Motivation war dahin.

Die Tür zum Arbeitszimmer wurde aufgerissen und Sebastians Stiefvater betrat den Raum. Auf seinem Gesicht flackerte Zorn, der Sebastian Schlimmes befürchten ließ. Er sprang auf, um zumindest auf Augenhöhe mit dem Mann zu sein, der sein Leben zur Hölle machte.
„Wieso muss ich mir von meinen Bekannten anhören, dass du dich auf dem letzten Ball unfreundlich verhalten hast?“, fragte sein Stiefvater. „Weshalb bist du nicht in der Lage, dich dem guten Ruf unserer Familie gemäß zu präsentieren?“

Sebastian hatte keine Ahnung, wovon sein Stiefvater sprach. Er öffnete den Mund, um sich reflexartig zu rechtfertigen, doch wie sollte er für sich einstehen, wenn er nicht wusste, was genau er falsch gemacht hatte?

„Ich bemühe mich stets, in Gesellschaft höflich und zugänglich zu zeigen“, stellte er klar. „Wenn sich jemand von mir schlecht behandelt fühlt, werde ich mich trotzdem gern entschuldigen, obwohl ich glaube, dass es sich um einen Irrtum-“

„Widersprich mir nicht! Du bist eine Schande für diese Familie. Wenn du dich nicht bald zusammen nimmst, werde ich Konsequenzen ziehen müssen. Finde endlich eine Frau, damit du jemanden an deiner Seite hast, der dich auf den rechten Pfad führt.“ Spucketröpfchen flogen aus dem Mund seines Stiefvaters.

Wenn sich das Monster in diesem echauffierten Zustand befand, war es am besten, ihm nicht zu widersprechen. „Natürlich, Vater“, murmelte Sebastian und senkte den Kopf.
Lord Haderton trat näher. „In der Zwischenzeit werde ich mich um deine Ausbildung kümmern. Folge mir in mein Arbeitszimmer. Ich werde den Teufel austreiben, der von deinem Körper Besitz ergriffen hat.“

Sebastians Eingeweide verknoteten sich, während sich Übelkeit in ihm ausbreitete. Er wünschte, er könnte sich übergeben, gegen die Ungerechtigkeit anschreien oder einfach davonlaufen. Sollte er sich allerdings nicht kooperativ zeigen, würde die Strafe noch viel schrecklicher ausfallen.

Alles in ihm wehrte sich gegen die Behandlung durch seinen Stiefvater. Die Gemeinheiten hatten sich im Laufe der Zeit gesteigert, aber es gab keinen Ausweg. Sein Leben war von Dunkelheit erfüllt und das würde sich bestimmt niemals ändern.

***

„Und wie läuft es mit der aktuellen Geschichte?“, fragt eine Frauenstimme, während Sebastians Sicht wieder einmal von Schwärze verschluckt wurde.

Verdammt, nicht gerade jetzt! Er spazierte gerade eine Einkaufsstraße entlang. Wenn jemand bemerkte, dass er gleich mehrere Minuten lang nicht ansprechbar war und nur ins Nichts starrte, würden unschöne Gerüchte rasch in London die Runde machen. Was passieren würde, wenn sein Stiefvater davon erführe, wollte er sich gar nicht vorstellen. Sein Rücken schmerzte immer noch von der Lehrstunde ein paar Tage zuvor.

Solange er noch einen Teil seiner Umgebung wahrnahm, bog er in eine Seitengasse ein und drückte sich in einen Hauseingang. Im nächsten Moment veränderte sich seine Sicht und er hatte eine fremde Frau vor sich.

„Ich bin ganz zufrieden. Leider komme ich nicht so schnell vorwärts, wie ich gern hätte. Das hängt mit der Buchidee zusammen, die mir seit vorgestern im Kopf herumgeistert.“

Diese zweite Stimme gehörte zu der Frau mit der Brille. Schien, als würde sie sich gerade mit einer Bekannten unterhalten. Sebastian vermutete nach den kurzen Fetzen des Gesprächs, dass es sich bei ihr um eine Autorin handelte. Wie interessant!

Ihr Gegenüber beugte sich vor. „Solltest du dich nicht erst auf das Buch konzentrieren, das du begonnen hast?“

„Vielleicht. Aber ehrlich gesagt, habe ich auch schon zu dem Plot-Häschen in meinem Kopf ein paar Wörter geschrieben.“ Die Brillen-Frau klang, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

Neugierig sog Sebastian jede Information auf. Er wünschte, er könnte mehr über diese geheimnisvolle Verbindung herausfinden. Je mehr er von der Frau erfuhr, umso leichter könnte er das Rätsel hoffentlich lösen. Warum sie gerade aber Häschen erwähnt hatte, verstand er überhaupt nicht. Wieso hüpften die in ihrem Kopf herum? War das eine in dieser fremden Parallelwelt übliche Redewendung?

„Um welche Idee handelt es sich denn genau?“, wollte das Gegenüber wissen.

„Sie passt zu meinem Pseudonym Ester D. Jones. Ich habe mir überlegt, wie es wäre, wenn ich eine Gayromance im Regency-Setting schreibe. Sobald ich das grobe Setting hatte, sind meine Gedanken gerast.“

„Klingt spannend, aber wie denkst du, würde sich das Leben der beiden gestalten? Mag der andere ihn überhaupt?“ Die Bekannte wirkte neugierig.

„Der eine Held weiß, dass er diese Veranlagung hat. Der andere noch nicht, aber sein Leben ist überhaupt etwas kompliziert.“ Wieder klang in der Stimme der Autorin schlechtes Gewissen mit. „Ich fürchte, ich habe es etwas übertrieben.“

Ihre Bekannte hob eine Augenbraue. „Dann ändere es einfach.“

Die Brille bewegte sich von links nach rechts. „Anders funktioniert die Geschichte nicht. Ich müsste viel zu viele Dinge ändern.“

„Ein wenig Leiden gehört aber auch dazu“, behauptete das Gegenüber.

Über diesen Kommentar konnte Sebastian nur den Kopf schütteln. Vielleicht war das allerdings in dieser seltsamen Welt üblich.

„Unter welches Genre würde das Buch denn fallen?“, fragte die Bekannte weiter.

„Gayromance und Regency. Das wäre dann ReGAYcy.“ Die Autorin kicherte.

Sebastian verstand kein Wort. Welche Art von Büchern die Brillen-Frau wohl schrieb? Wie viele sie bereits fertiggestellt oder gar veröffentlicht hatte? Ob sie in ihrer Welt sehr bekannt war? Wenn er nur in der Lage wäre, sich bei den beiden nach Details zu erkundigen!

Das Gegenüber legte den Kopf schief und grinste frech. „Damit hast du ja fast ein neues Genre erfunden.“

„Das habe ich wirklich“, sagte die Autorin mit begeisterter Stimme. „Ich habe recherchiert und nichts wirklich Vergleichbares gefunden. Die wenigen Gayromance-Romane im Regency-Setting spielen in einer Realität, in der Männer einander heiraten dürfen.“

Ein überraschter Laut entschlüpfte ihm. Das klang völlig unglaublich für ihn. Hitze stieg in seine Wangen, als er sich vorstellte, welche Art von Büchern die Autorin schrieb.

Sie seufzte verträumt. „In meinem Versuch dieses neuen Genres hat der Earl of Broomfield eine abenteuerliche Liebesgeschichte vor sich. Ich freue mich darauf, ihm zu zeigen, wie bunt das Leben sein kann.“

Sebastians Herz überschlug sich. Wieso erwähnte die Frau seinen Namen? Weshalb kannte sie ihn? Warum hatte sie ihn für den Helden ihrer Geschichte gewählt? Die möglichen Antworten auf diese Fragen jagten ihm Angst ein. Er erinnerte sich an die Erwähnung der Qualen, die die Autorin eingefügt hatte. Das, was das Monster ihm antat, könnte zu dem passen, was sie angedeutet hatte. Nein. Mit dieser seltsame Verbindung zwischen ihren Augen durfte sie keinen Einfluss auf sein Leben haben. Das wäre einfach schrecklich.

Während er noch mit dem Schicksal haderte und zu verstehen versuchte, was genau vor sich ging, veränderte sich seine Sicht. Die Dunkelheit kroch wieder von den Rändern näher, bis es schwarz vor seinen Augen wurde. Nachdem er mehrmals geblinzelt hatte, konnte er die Gasse vor sich sehen, in die er geflüchtet war.

Mit einem entsetzten Stöhnen vergrub er das Gesicht in seinen Händen. Trug sie Schuld daran, dass er noch nie Freude verspürt hatte? Sollte diese Frau tatsächlich dafür gesorgt haben, dass er regelmäßig von seinem Stiefvater verprügelt wurde? Könnte sie ihn dazu zwingen, sich in einen Mann zu verlieben? Das wäre einfach schrecklich. Es würde bedeuten, dass er lediglich als Marionette an ihren Schnüren tanzte. Er wäre eine Ausgeburt ihrer Fantasie.

Was genau hatte sie noch einmal gesagt? Wie hatte sie beschrieben, was sie mit ihm anstellte? Die Worte entglitten seinem Verstand. Obwohl er versuchte, sie festzuhalten, breitete sich Nebel in seinem Kopf aus und ließ die Vorstellungen verschwimmen, die ihre Erzählung in ihm geweckt hatten.

Das, was er beobachtete hatte, verschwand aus seiner Erinnerung. Er würde vergessen, was er gehört hatte und sich nicht schützen können! Was sollte er tun, um das zu verhindern? Wenn er nur etwas bei sich hätte, um das zu notieren, was er noch wusste. Doch was war das überhaupt?

Benommen machte er einen Schritt aus dem Hauseingang heraus und sah sich um. Zum Glück hatte niemand bemerkt, dass er sich hierher zurückgezogen hatte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Hatte die Verletzung, die das Monster ihm zugefügt hatte, ihn geschwächt?

Traurigkeit fraß sich in seine Eingeweide. Er konnte nicht sagen, was genau die Welt so düster machte. Dank seines Stiefvaters gab es für ihn nur selten einen Grund, sich seines Lebens zu erfreuen. Die Dunkelheit in ihm schien allerdings einen anderen Ursprung zu haben, auch wenn er sich nicht und nicht daran erinnern konnte, worum es sich handelte.

Es war jedenfalls an der Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Sein Stiefvater wäre verärgert, wenn er zu lange auswärts blieb. Ihn jetzt schon wieder zu verärgern, konnte sich Sebastian nicht erlauben. Mit langsamen Schritten trottete er vorwärts und trat aus der Seitengasse heraus.

 

***

„Das verbotene Verlangen des Earls (Der Gentleman seines Herzens Teil 1)“ von Ester D. Jones

Sebastian, Earl of Broomfield, lebt seit Jahren in Angst und Schrecken unter den strengen Augen seines Stiefvaters. Der verlangt nun, dass Sebastian sich auf die Suche nach einer vermögenden Ehefrau macht. Doch als Sebastian und Lady Rose sich näherkommen, erweckt das die Missbilligung ihres Bruders.
Lucian, Earl of Westminster, ist überzeugt, dass Sebastian kein geeigneter Ehemann für seine Schwester darstellt. Als Sebastian anbietet, Lucian von seinen ernsten Absichten zu überzeugen, willigt er nur widerwillig ein.
Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, umso stärker fühlt sich Lucian zu der Ernsthaftigkeit und dem künstlerischen Feingefühl des jungen Sebastian hingezogen. Doch was passiert, wenn aus der Zuneigung der beiden Earls Verlangen wächst, das sie in Gefahr bringen kann?

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