Buchbesuch: Als ich bei Lesithder aus „König der Nebelseelen“ gelandet bin

Buchbesuch: Als ich bei Lesithder aus "König der Nebelseelen" gelandet bin

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Buchbesuch: Als ich bei Lesithder aus „König der Nebelseelen“ gelandet bin

 

Mit einem müden Seufzer lasse ich mich zurück aufs Bett fallen und schließe meine Augen. Fünf Minuten nicht angesprochen werden zu wollen, ist doch nicht zu viel verlangt, oder? Darf ich meiner Familie kurz nicht bei der Suche nach verlorenen Dingen helfen? Ist es erlaubt, vorübergehend keine Snacks zuzubereiten, die meine Kinder auch allein hinbekommen? Kann ich mich eine Zeit lang nicht dafür verantwortlich fühlen, dass das Leben aller anderen glatt läuft, während ich dem Abschluss all meiner eigenen Aufgaben hinterherjage? Irgendwie ist nie genug Zeit für mich als Autorin.

Als ein Krachen im ersten Stock erklingt, muss ich mich zwingen, nicht aufzuspringen und nach dem Rechten zu sehen. Schlechtes Gewissen breitet sich in mir aus, weil ich mich ins Schlafzimmer geschlichen habe, um kurz durchatmen zu können. Undankbar will ich nicht erscheinen. Der Alltag einer Mutter besteht nun mal darin, die Bedürfnisse ihrer Kinder an die erste Stelle zu setzen, aber für eine kurze Pause habe ich mir doch verdient, oder?

Die Erschöpfung hat sich längst in meine Eingeweide gefressen. Ich brauche eine Pause, einen Urlaub, damit ich die Aufgaben, was ich eigentlich gern übernehme, nicht mehr als viel zu große Last empfinde. Sobald ich meinen Mann allein erwische, werde ich ihm vorschlagen, einen Ausflug als Paar zu unternehmen. Eine längere Reise ist im Moment nicht machbar, aber zumindest ein paar Stunden Freiheit reichen mir als Motivation. Dabei kann ich vielleicht auch wieder Inspiration für einen neuen Roman sammeln. Ich habe viele Ideen in meiner Schublade, aber gerade kann ich mich nicht darauf festlegen, mit welcher Geschichte ich beginnen soll. Die Entwicklung des Buchmarktes stellt ein Rätsel für mich dar.

Obwohl mich die Entscheidung, mir eine Auszeit zu erkämpfen, mit Erleichterung flutet, lässt der Nebel in meinem Gehirn nicht nach. Schon seit ein paar Minuten bemerke ich Anzeichen dafür, dass mich bald Kopf Schmerzen heimsuchen könnten. Plötzlich spüre ich jedoch ein seltsames Ziehen in meinem Kopf. Schwindel bringt das Bett zum Schwanken. Übelkeit verwandelt meinen Magen in einen harten Knoten. Migräne hat manchmal eine ähnliche Wirkung auf mich, doch dieser Anfall überrollt mich viel zu intensiv. Meine Haut spannt normalerweise auch nicht, als würde sie sich von meinem Fleisch ablösen. Zum Glück habe ich keine richtigen Schmerzen, aber es fühlt sich an, als zerre eine unsichtbare Macht an mir.

Panik verstärkt die Übelkeit, die mich würgen lässt. Ich will meine Augen öffnen, doch ich schaffe es nicht. Hinter meinen geschlossenen Lidern erscheinen immer wieder Lichtblitze. Mir wird abwechselnd heiß und kalt, während ich das Gefühl habe, zu schweben. Seltsame Gerüche steigen in meine Nase. Schweiß und Blut glaube ich kurz zu erkennen. Dann verändert sich der Duft zu exotischen Blumen. Die Luft um mich herum scheint an Dichte und Trockenheit zuzunehmen.

Dieser Migräneanfall ist nicht normal. Ich brauche Hilfe. Jemand muss mich ins Krankenhaus bringen. Vielleicht habe ich gerade einen Herzinfarkt, denn mein Puls rast. Oder es handelt sich um einen Schlaganfall. Das würde ebenfalls ganz viele meiner Symptome erklären.

Als ich meinen Mund öffne, um nach meinem Mann zu schreien, kommt kein Laut über meine Lippen. Ich taste nach der Matratze unter mir, kann aber keinen Stoff spüren. Nein, irgendetwas stimmt ganz und gar nicht!

Von einer Sekunde auf die andere lässt der Schwindel nach. Mein Magen rebelliert nicht mehr und die Umgebung scheint sich nicht mehr zu verändern. Gleichmäßiges, grelles Licht fällt auf meine geschlossenen Lider, was mich irritiert, weil der Vorhang im Schlafzimmer geschlossen sein sollte. Ein warmer Lufthauch streicht über mein erhitztes Gesicht, was keinen Sinn ergibt, denn ich befinde mich im Inneren eines Hauses. Der Geruch, der mir in die Nase steigt, erinnert mich an heiße Spätsommertage mit einem Hauch von Getreide, Blumen und hochstehender Sonne. Dabei hat der Sommer gerade erst begonnen.

Zum Glück kann ich meine Augen endlich öffnen. Ich sehe mich um und sauge schockiert die Luft in meine Lungen. Ich liege nicht mehr im Bett meines Schlafzimmers. Stattdessen entdecke ich hohes Gras um mich herum. Ein Stein drückt sich in meinen oberen Rücken und seltsam große Vögel kreisen am wolkenlosen Himmel über mir. Als sie einen fremdartigen Laut von sich geben, entsteht ein nervöses Kribbeln in meinem Magen. Das sind Flugechsen! Wieso weiß ich, dass es sich um Flugechsen handelt?

Abrupt setze ich mich auf. Auch in dieser Position ist das Gras so hoch, dass ich die Umgebung nicht erforschen kann. Unbeholfen rapple ich mich auf. Leichter Schwindel lässt mich immer noch schwanken. Mein Körper will mir nicht auf Anhieb gehorchen, aber vermutlich hat ihn der Sprung an einen anderen Ort ermüdet.

Teleportation! Trocken lache ich auf. Will ich mir die Geschehnisse wirklich damit erklären? Als Autorin habe ich genug Fantasie, um das zumindest kurz in Betracht zu ziehen. Das ich von einer Sekunde auf die andere plötzlich in einer anderen Welt bin, ergibt keinen Sinn. Was zur Hölle geht hier vor?

Das grelle Licht macht es mir schwer, etwas zu erkennen. Ich kneife die Augen zusammen und drehe mich um mich selbst. Aus irgendeinem Grund befinde ich mich mitten in einer Wiese auf einem leicht ansteigenden Hügel. Ein paar Meter von mir entfernt beginnt ein Wald mit einer Baumart, die ich noch nie gesehen habe. Weiter den Hügel runter entdecke ich andere Pflanzen, die exotisch fremd auf mich wirken. Keine Ahnung, wo ich gelandet bin, aber nichts an dieser Landschaft erinnert mich an mir bekannte Orte in Österreich.

Aus dem Wald höre ich Stimmen, die zu zwei jungen Männern gehören könnten. Noch kann ich keine einzelnen Worte verstehen. Im ersten Moment will ich um Hilfe rufen, doch dann halte ich inne. Was, wenn ich mich dadurch in Gefahr begebe? Keine Ahnung, wo ich hier bin. Was, wenn man Frauen gegenüber feindlich gesinnt ist? Aber wie soll ich herausfinden, was passiert ist, wenn ich mich nicht mit jemandem unterhalte, der ein paar meiner Fragen beantworten kann?

Zwischen den Baumstämmen erscheinen zwei Burschen, die ich auf ungefähr sechzehn Jahre schätze. Ihr Haar ist kurz geschoren und sie tragen seltsam geschnittene braune Oberteile und Hosen, die nichts mit der Mode meines Herkunftsortes gemeinsam hat. Noch einmal überlege ich, ob ich mich ins Gras ducken und hoffen soll, dass sie mich nicht bemerken. Dann schüttle ich innerlich den Kopf. Nein, ich muss zurück zu meinen Kindern und meinem Mann. Je länger ich hier bleibe, umso komplizierter wird meine Rückkehr vielleicht.

„Hey, ihr da!“, rufe ich und marschiere in die Richtung der beiden Burschen. „Wo sind wir hier?“

„In Maëlle“, antwortet einer der zwei, während sich seine Stirn runzelt. Sein Gesicht kommt mir seltsam bekannt vor, obwohl ich sicher bin, ihn noch nie getroffen zu haben. Sein Blick huscht über mich. „Habt Ihr Euch verirrt? Braucht Ihr Hilfe?“

Der Ortsname sagt mir erst nichts. Geographie ist nicht meine Stärke, aber dass ich Maëlle noch nie gehört habe, gefällt mir nicht. Nein, eine verdrängte Erinnerung will sich freikämpfen. Leider schafft sie es nicht. Ich brauche mehr Informationen „Keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin. Welches Jahr haben wir?“

„43.291 nach der Zeitrechnung der Maëlle. Aus welchem Land stammt Ihr?“ Neugier blitzt in den Augen des Burschen auf. „Seid Ihr eigentlich nicht zu alt, um allein zu reisen?“

„Na, erlaube mal. Für wie alt hältst du mich?“ Wieso empöre ich mich darüber? Schlimmer ist doch ohnehin, dass er diese seltsame Jahreszahl genannt hat. Bin ich versehentlich zu einem abgelegen lebenden Stamm in einem fernen Land gereist, in der die Zeit anders gemessen wird? Ich muss auf einen anderen Weg Informationen sammeln. „Ich lebe in Österreich. Könnt ihr mir sagen, in welcher Richtung das liegt?“

Die beiden jungen Männer wechseln einen ratlosen Blick und zucken mit den Achseln. „Dieses Land ist uns völlig fremd“, sagt der redefreudigere der zwei schließlich.

Der andere beugt sich zu seinem Ohr. „Vielleicht ist die Frau verwirrt, Lesithder“, flüstert er laut genug, dass ich ihn verstehen kann. „Es ist seltsam, dass sie allein unterwegs ist. Möglicherweise stimmt etwas nicht mit ihrem Kopf. Unter Umständen sucht ihre Familie bereits verzweifelt nach ihr, weil sie davongelaufen ist.“

„Ich bin nicht verrückt“, stelle ich klar. Dann runzle ich die Stirn. „Du bist Lesithder?“, frage ich nach und mustere den einen Burschen. Eine verrückte Idee, aber sie lässt sich ganz leicht überprüfen. „Du heißt nicht zufällig Elevander?“ Ich wende mich dem anderen zu.

Seine Pupillen weiten sich. „Woher kennt Ihr meinen Namen?“

Erleichterung flutet mich. Langsam verstehe ich, wo ich gelandet bin, obwohl dieser Vorfall noch keinen Sinn ergibt. Die beiden sind Charaktere in einem meiner Bücher. Lesithder wird mit Hilfe des Königs der Nebelseelen seine Welt vor dem Untergang bewahren. Bei Elevander handelt es sich um seinen besten Freund. Anscheinend hat sich mein Verstand in eine Fantasiewelt geflüchtet. Ich befinde mich in einem Fantasyroman. Vermutlich träume ich. Daher muss ich nur aufwachen, damit ich wieder bei meiner Familie bin.

„Ein Glück“, murmle ich. „Entschuldigt die Störung. Ich bin gleich wieder weg.“

Mein Herz hüpft vor Erleichterung. Ein Glück, dass ich so schnell einen Ausweg gefunden habe. Während die beiden Burschen mich mit verwirrtem Gesichtsausdruck beobachten, kneife ich mich in den Unterarm.

Nichts passiert. Scharfer Schmerz breitet sich von der Stelle aus, aber ich bleibe an Ort und Stelle. Meine Umgebung verändert sich nicht.

Noch einmal drücke ich meine Finger in meine Haut. Wieder verspüre ich das dabei entstehende Brennen, doch ich reise nicht zurück in meine Welt.

Verärgert schüttle ich den Kopf. Ich sollte doch einfach aufwachen, wenn ich mich selbst kneife. Der Schmerz fühlt sich allerdings viel zu real an. Das ist nicht einer dieser Träume, in denen die Geschichten entstehen, die ich dann später zu Papier bringe. Also was zur Hölle geht hier vor?

„Können wir Umock um Unterstützung bitten?“, frage ich und sehe zu den beiden Burschen. Wenn ich mir die Hilfe des mächtigsten Wesens dieser Welt zu verschaffen, kann ich vielleicht von hier verschwinden.

„Wieso sollten wir uns an den König der Nebelseelen wenden?“ Lesithders Gesicht verzieht sich zu einer schockierten Grimasse. „Wegen seiner grausamen, schändlichen Taten ist er zu einem Leben in den Sümpfen von Anouk verbannt worden. Niemand hier würde jemals in Betracht ziehen, ihn um Hilfe zu bitten.“

Frustriert beiße ich mir auf die Lippen. Anscheinend hat Lesithder zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfahren, welche Herausforderung auf ihn wartet. Er ahnt nicht, dass er bald viel traumatischere Dinge erleben wird, als man Umock andichtet.

„Man sollte Klatsch und Tratsch immer mit Vorsicht behandeln“, warne ich ihn. „Glaube lieber nur, was du mit eigenen Augen siehst. Umock ist vielleicht vertrauenswürdiger, als du denkst.“

„Der Charakter dieses Monsters kann mir ziemlich gleichgültig sein. Ich werde nicht in die Verlegenheit kommen, mich mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Im Moment ist ohnehin anderes wichtiger.“ Lesithder mustert mich. „Wie geht es Euch? Habt Ihr Hunger? Sollen wir Euch mit in unser Dorf nehmen, damit Ihr Euch dort ausruhen könnt?“

„Ein sehr freundliches Angebot, das ich gern annehme.“ Dankbar lächle ich ihn an. Dann bemerke ich einen erleichterten Ausdruck in seinem Blick und kneife die Augen zusammen. „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich verrückt bin, oder? Willst du mich zu deinem Großvater bringen, damit er mich festsetzt?“

„Warum kennt Ihr Oremazz?“, fragt Elevander. „Was wisst Ihr über den Großen Zaubermeister?“

„Alles, was du ihr zusätzlich erzählst“, zischt Lesithder verärgert.

Sein Freund senkt den Kopf. „Tut mir leid.“

„Schon gut“, gebe ich mit einem leisen Lachen zurück. „Immerhin habe ich ihn erfunden.“

„Wie bitte?“ Lesithder runzelt die Stirn.

„Nichts“, murmle ich. „Jedenfalls solltest du die Freundschaft zu Elevander zu schätzen wissen. Ihr seid fast so etwas wie Brüder. Man bekommt nicht oft die Gelegenheit, einem anderen Menschen so nahe zu stehen.“

Elevanders Stirn runzelt sich. „Uns verbindet mehr als Freundschaft. Das zwischen uns ist etwas Besonderes.“

Beruhigend lächle ich ihm zu. „Da stimme ich dir zu. Genießt die Zeit, die ihr miteinander habt. Frieden ist etwas sehr Zerbrechliches. Man darf sich nicht darauf verlassen.“

In Lesithders Augen liegt eine Frage, die er jedoch nicht über die Lippen bringt. Er starrt mich mit einer Intensität an, als versuche er, mich zu durchleuchten.

„Wer seid Ihr?“, erkundigt sich Elevander. „Ihr klingt, als würdet Ihr Wissen besitzen, das uns fehlt.“

„Alles zu seiner Zeit“, bleibe ich vage. Wie soll ich ihm mitteilen, dass sie beide große Herausforderungen und schreckliche Verluste erwarten? Lesithder wird über sich selbst hinauswachsen und Entscheidungen treffen müssen, die sein gesamtes Leben verändern. Doch neben all dem Schmerz und der Qualen wird es auch Momente der Stärke und des Mutes geben. Auf dem Weg durch die Dunkelheit wird er einem Funken Hoffnung folgen, der ihn zu der Liebe seines Lebens führen wird. All das muss er selbst durchstehen, um daran wachsen zu können.

Immer noch konzentriert sich Lesithder auf jede Regung in meinem Gesicht. Hoffentlich verrate ich ihm nicht zu viel, auch wenn ich wünschte, ihm ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg geben zu können. Ob es erlaubt ist, ihm zu verraten, wem er vertrauen darf und wem nicht? Ist es in Ordnung, ihn auf die Dinge hinzuweisen, die er unbedingt lernen sollte, um Erfolg haben zu können? Mein Herz wird so eng, wenn ich daran denke, was er alles durchstehen muss.

Die Tatsache, dass ich Schuld an diesen Dingen bin, lässt mich nicht kalt. Die Bücher, die ich schreibe, sind wie meine Kinder. Auch wenn ich sie schneller erwachsen werden und in die Welt ziehen lassen kann als meine echten, bedeuten sie mir viel. Ich empfinde Mitgefühl mit den Charakteren, obwohl ich diejenige bin, die sie leiden lässt. Vielleicht bin ich zu kaltherzig mit Lesithder umgegangen. Vermutlich hätte ich sein Schicksal weniger hart sein lassen sollen. Aber jetzt ist seine Geschichte bereits veröffentlicht. Ich kann nicht mehr zurück. Und ist es nicht eigentlich genau das, was Leser wollen? Dass die Protagonisten von Büchern eine Achterbahn der Emotionen durchstehen müssen, damit sie daran wachsen können? Erfüllen Lesithders Prüfungen nicht den Zweck, ihn sein eigenes Potential erkennen zu lassen?

Der Ausdruck in seinen Augen verändert sich. Misstrauen zeigt sich darin. Er mustert mich intensiver und mit einem Mal kann ich Hitzewellen spüren, die von ihm ausgehen. Es scheint fast, als würde er mich durchleuchten. Mir wird klar, dass ich nicht weiß, wie viele Fähigkeiten er im Moment wirklich besitzt. Zu Beginn meines Romans hat er Magie nur begrenzt anwenden können, doch das, was er gelernt hat, musste er vor seinem Großvater geheim halten. Kann er mich durchschauen, weil wir eine besondere Verbindung teilen?

Mein Herzschlag beschleunigt sich besorgt. Aus seiner Miene werde ich nicht recht schlau, aber vielleicht wäre es besser, von hier zu verschwinden. Ohne ihn aus dem Blick zu lassen, mache ich einen Schritt nach hinten.

Sein Gesicht verliert an Farbe. „Wer seid Ihr?“, fragt er mit kratziger Stimme.

„Nur jemand, der sich verirrt hat“, gebe ich vage zurück.

„Wie heißt Ihr?“

„Bettina.“ Da ich mir sicher bin, dass er mit diesem Namen nichts anfangen kann, antworte ich ohne zu zögern.

Er kneift die Augen zusammen. „Bettina aus Österreich. Warum habe ich den Eindruck, dass mir das aus einem Traum bekannt vorkommt?“

Mein Magen verkrampft sich. „Ein Zufall?“

„Das glaube ich nicht.“ Einen Moment scheint er zu überlegen, dann drückt er den Rücken durch. „Kommt mit mir. Ich glaube, Ihr solltet Euch mit meinem Großvater unterhalten.“

Vehement schüttle ich den Kopf. „Eine schlechte Idee. Ich sollte auch langsam nach Hause.“ Obwohl wenn ich noch nicht weiß, wie ich das anstellen kann.

Sobald ich den Satz ausgesprochen habe, verspüre ich einen seltsamen Schwindel. Wieder zieht eine geheimnisvolle Macht an mir. Mein Körper fühlt sich viel zu schwer und müde an. Reise ich etwa zurück, weil ich mein Zuhause erwähnt habe?

Erleichtert danke ich dem Himmel, dass dieses seltsame Abenteuer ein Ende findet. Gleichzeitig möchte ich noch bleiben. Auf diese Art habe ich noch nie einen Charakter eines meiner Bücher kennenlernen dürfen. Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, sie würden mir ihre Geschichte ins Ohr flüstern, ist das hier etwas anderes. Es gibt noch so viel, was ich über Lesithder erfahren möchte. Ich könnte ihn auf das vorbereiten, was ihn erwartet. Wäre das nicht meine Aufgabe als seine Erschafferin?

„Vertrau auf dein Herz, Lesithder“, presse ich hervor. „Glaube an dich. Du bist weit stärker, als du jetzt ahnst. Nichts und niemand wird dich brechen können. Die Magie in dir wird dir den Weg durch alle Schwierigkeiten weisen.“

„Wovon sprecht Ihr?“ Er wird noch ein wenig blasser.

„Irgendwann wirst du es verstehen“, verspreche ich. Meine Organe werden seltsam zusammengepresst. Lange werde ich nicht mehr hier sein. Dabei gibt es noch so viel, was ich sagen möchte. Beunruhigt versuche ich, meine Gedanken in Worte zu fassen. „Mach dir nicht zu viele Sorgen. Genieß jeden Augenblick deiner Jugend. Du bist zu Großem berufen, aber du darfst auf dem Weg dorthin nicht vergessen, die schönen Dinge des Lebens aufzusaugen.“

Er macht einen Schritt auf mich zu. Elevander greift nach seinem Arm und hält ihn zurück, doch Lesithder konzentriert sich ganz auf mich. „Was wisst Ihr? Wieso behauptet Ihr so wirres Zeug?“

Aufmunternd lächle ich ihm zu. „Ich kenne dich einfach gut und kann dein Potential sehen.“

„Ihr klingt, als könntet Ihr in die Zukunft sehen.“

„Vielleicht trifft es das ganz gut.“ Scharfer Schmerz breitet sich in meinem Kopf aus. Vermutlich werde ich mich gleich in Luft auflösen. Wie sehr wird ihn das verwirren? „Tut mir leid, aber ich kann nicht länger bleiben. Der Zauber, unter dem ich gestanden bin, verliert seine Wirkung.“

Elevander reißt die Augen auf und keucht. „Ihr … Ihr werdet durchscheinend! Was … was passiert mit Euch?“

„Es wird mir gut gehen“, versichere ich und suche Lesithders Blick. „Pass auf dich und alle, die dir wichtig sind, auf. Aus der Ferne werde ich über dich wachen.“ Eine glatte Lüge. Allein ich trage die Schuld an dem, was er durchmachen muss. Aus diesem Grund fühle ich mich schlecht. Verdammt! Als Autorin muss ich manchmal ein wahres Monster sein, um das Interesse der Leser zu fesseln.

Mit besorgtem Gesichtsausdruck streckt er den Arm nach mir aus. „Bleibt! Ihr könnt noch nicht gehen. Ich habe Fragen an Euch.“

Meine Sicht verschwimmt. Ich muss meine Augen schließen. Mein Körper gehorcht mir nicht mehr. „Tut mir leid“, murmle ich. „Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Es gibt eine Frau, die Hilfe benötigt und die mich in meinen Träumen bittet, sie zu unterstützen. Sobald ich Zeit habe, ihre Geschichte zu schreiben, könnte ich sie dir vorstellen.“

„Ihre Geschichte schreiben? Ich verstehe nicht. Was geht hier vor?“ Lesithders Stimme klingt alarmiert und seltsam gedämpft.

Die Schwärze hinter meinen Augenlidern lässt mein Inneres kalt werden. Meine Umgebung verändert sich. Die Luft streift kühl über meine Haut, während eine Macht an mir zieht. Ich spüre, wie ich in eine waagrechte Position gedrückt werde. Das verstärkt den Schwindel in meinem Inneren. Übelkeit wallt in mir auf, als ich mich gegen den Taumel wehren möchte. Dann lässt das Ziehen an mir nach und es ist still um mich herum.

Als ich die Bettdecke unter mir spüre, reiße ich die Augen auf. Ich befinde mich wieder in meinem Schlafzimmer. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, aber ich bin zurück in meiner Welt. Was für ein seltsamer Traum! Oder war dieses Treffen mehr als das? Bin ich tatsächlich in der Welt meines Buches gewesen? Ich fühle mich seltsam benommen. Möglicherweise bin ich doch einfach nur kurz eingenickt.

Zum Glück lässt der Nebel in meinem Kopf rasch nach. Zu meiner Erleichterung fühle ich mich nicht mehr ganz so erschlagen und erschöpft wie zuvor. Während ich mich aufsetze und mich frage, was zur Hölle gerade mit mir geschehen ist, höre ich von unten einen erschrockenen Aufschrei. Irgendetwas poltert, bevor eine Stimme „Mama“ schreit.

Seufzend stehe ich auf. Scheint, als müsse ich zurück zu meinen Aufgaben. Dabei sind meine Sinne noch mit der Begegnung mit Lesithder beschäftigt. Wie gern ich länger in dieser Welt geblieben wäre, doch erst muss ich mich um das Problem im Wohnzimmer kümmern.

In meinem Hinterkopf mache ich mir eine Notiz, dass ich Lesithder unbedingt noch einmal treffen möchte. Auch wenn ich nicht erneut zu ihm reisen kann. Die Idee zu der sechsteiligen Reihe, die schon eine Weile in meinem Kopf kreist, wäre ideal, um herauszufinden, zu welcher Art von Zauberer er geworden ist. Hoffentlich habe ich bald Zeit, diese Geschichte zu schreiben. Das Leben eines Autors ist wirklich nicht leicht.

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Ein Zauberlehrling, ein König und eine gefährliche Bedrohung – New Adult Gay Highfantasy

„Die Seele des Zauberlehrlings: König der Nebelseelen 1“ von Betty Kay

Eine Prophezeiung warnt vor der Zerstörung von Lesithders Welt. Mit seinem Großvater, dem Großen Zaubermeister seines Volkes, soll er sich auf die Gefahr einer Invasion vorbereiten. Als die ersten Feinde auf dem Kontinent landen, muss Lesithder ausgerechnet den König der Nebelseelen um Hilfe bitten. Für seine grausamen Taten in einen Sumpf verbannt, übt Umock dennoch große Faszination auf den Zauberlehrling aus. Aber das mächtige Wesen hat leider ganz eigene Vorstellungen, wie es für seine Hilfe entlohnt werden möchte.

Wird es Lesithder mit Hilfe des Königs der Nebelseelen gelingen, den unbekannten Feind aufzuhalten?

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Hier findest du eine Leseprobe zum Buch: „Die Seele des Zauberlehrlings: König der Nebelseelen 1“

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